Das Projekt Abegg Huus war in seiner Geburtsstunde mit viel Glück gesegnet: Es gab breite Zustimmung aus der Bevölkerung, und an der entsprechenden Gemeindeversammlung über die Solidarbürgschaft der Gemeinde kaum Gegenstimmen zum Projekt. Trotzdem wurden und werden immer wieder Stimmen laut, die finden, das Projekt sei für Rüschlikons Zentrum viel zu voluminös. Betrachtet man die Bilder aus der Vogelperspektive der Drohne, muss man zugeben, dass der Bau sehr gross wirkt. Bloss – mit 54 Betten sind wir bereits jetzt schon an der Belastungsgrenze angelangt. Kleiner hätten wir nicht bauen dürfen, sonst wäre bereits in ein paar Jahren der Raum wieder knapp geworden. Die Stiftungsurkunde gibt im Übrigen vor, dass wir am selben Ort einen Neubau erstellen mussten. Und auch, wenn das nicht der Fall gewesen wäre – die Studien über die Wohnraumqualität von Betagten und Pflegebedürftigen sind sich mindestens in diesem Punkt einig: Sie wollen im Zentrum leben, an einem Ort, wo ab und zu etwas läuft, man mit dem kleinen Radius, der einem noch bleibt, andere Leute treffen, allenfalls noch etwas Kleines besorgen kann, und mitten im Geschehen ist – nicht weit weg in den Randgebieten der Gemeinden, wo man die Seniorinnen und Senioren heute viel zu oft beinahe "wegpackt". Ein weiterer Aspekt ist, dass wir ja dazu angehalten sind – aus meiner Ansicht nach weisen Überlegungen des Gesetzgebers – die letzten verbleibenden Grünräume unüberbaut zu lassen, und stattdessen in den Zentren zu verdichten. Dazu kommt, dass ein moderner Pflegeheimbetrieb eigentlich nur in einer einzigen, zusammenhängenden Liegenschaft effizient betrieben werden kann; kleinere, einzelne Gebäude machen aus dieser Sicht überhaupt keinen Sinn, abgesehen davon, dass solche an unserem vom Stifter festgelegten Platz gar nicht hineinzupacken gewesen wären. Die Argumente der Gegner sind hier also verständlich, aber schlicht nicht umsetzbar.
Ähnliches gilt für die Alterswohnungen "Im Weingarten": Hier wurde das Projekt von den Gegnern lange Zeit blockiert, natürlich auch dies vor verständlichem Hintergrund: man fand die Gebäude zu voluminös, sie versperren teilweise die (See-) Sicht und vermindern die Wohnraumqualität der jetzigen oberen Anwohner zugegebenermassen massiv. Auch das eine Tatsache, die nicht wegdiskutiert werden kann. Persönlich gefällt mir das Projekt gut: Es bietet mit den Laubengängen und dem umliegenden Grünraum viele Begegnungszonen für die Bewohner, und das Areal liegt strategisch ideal, damit sie auch die Dienstleistungen des Abegg Huus wie Mahlzeiten und Aktivitäten nutzen können. Zum Glück konnte man sich nun mit einigen Projektanpassungen mit den meisten umliegenden Anwohnern einigen, die Baustelle ist eröffnet und bereits im Frühjahr 2019 sollen die 22 Wohnungen in Bezug genommen werden. Für mich ein weiterer Meilenstein meiner politischen Karriere: Seit meinem Amtsantritt 2008 kämpfe ich an vorderster Front – zusammen mit der Altersbeauftragten und der damaligen Alterskommission – für diese Wohnungen. Nun endlich können wir die Früchte dieser umfassenden Arbeit ernten. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt allerdings: Mit den 22 Einheiten wird nur gerade ein Teil des Bedarfs abgedeckt werden, viele Bewerber werden abgewiesen werden müssen. Die Stiftung Wohnungsbau Rüschlikon, die die Häuser im Auftrag der Gemeinde erstellt, wird die Mieten sowie die Kriterien zur Vergabe der Wohnungen über die nächsten Monate erarbeiten und bekannt geben. Hoffen wir, dass diese den ursprünglichen Zielen der Alterskommission entsprechen. Zusammengefasst muss auch hier erwähnt werden, dass sich die Möglichkeiten zur Erstellung günstigen Wohnraums im öffentlichen Ausschreibeverfahren in Grenzen halten; viele ursprüngliche Anforderungen der Alterskommission wie Réception oder Gemeinschaftsraum sind bereits den Einsparungen zum Opfer gefallen, weil sie die späteren Mietpreise allzu stark belastet hätten. Beim Projekt "Im Weingarten" gelten übrigens ähnliche Parameter wie für das Projekt Abegg Huus: Die Seniorinnen und Senioren wollen im Dorfzentrum leben, nicht abgeschoben an der Peripherie der Gemeinde. Viele werden froh sein, einen Teil der Mahlzeiten im nahe gelegenen Abegg Huus einnehmen oder Dienstleistungen wie zum Beispiel den Wäscheservice in Anspruch nehmen zu können.
Die ursprünglich anvisierten Mietzinslimiten sowie das Ziel der Alterskommission, diese für alle Schichten erschwinglich zu machen, beschäftigen mich weiter; bleibt es realistisch oder wird es sich bald als Utopie herausstellen? Ich warte gespannt auf die ersten Ergebnisse und die Kommunikation der Stiftung, und werde mich sicher in diese Diskussion entsprechend einbringen.
Nun zum derzeit heissesten "Pièce de Résistance", nämlich dem Projekt "Bahnhof Süd". Denn auch wenn mir einige meiner Unterstützer im Wahlkampf geraten haben, hier keine Stellung zu beziehen, empfinde ich das als rückgratlos; ich denke, dass man als Wähler ein Recht dazu hat, die Position der Kandidaten zu den aktuellen Themen zu erfahren. Und wenn einen dies dann halt die eine oder andere Stimme kostet, muss man das als authentische Politikerin in Kauf nehmen.
Ganz im Einklang mit meinem Wunsch, bezahlbaren Wohnraum für Mittelstandsfamilien– oder auch Seniorinnen und Senioren und unsere erwachsenen Kinder – in Rüschlikon zu schaffen, stehe ich dem Projekt in weiten Teilen positiv gegenüber: Beim alten SBB-Areal handelt es sich um eine der letzten Landreserven Rüschlikons, wo dies möglich ist. Selbstverständlich wäre auch hier ein Areal, das niemandem die (See-) Sicht versperrt, und dem Zentrum Rüschlikons allzu grosse Gebäudevolumina beschert, zu begrüssen gewesen. Bloss existiert ein solches schlicht nicht. Die Behauptung der Gegner, das Argument der erschwinglichen Mieten sei eine reine Alibiübung, stimmt in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach nicht: Würden wir zugunsten einer besseren Dorfbildverträglichkeit auf Stockwerke oder grössere Volumina verzichten, würde die Rechnung auf die einzelnen Einheiten verteilt grösser. Natürlich: auf die architektonische Qualität der zukünftigen Bauten dürfte diese Tatsache einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben: Es wird sich schon bald herausstellen, wie gross – oder klein – der Handlungsspielraum der Architekten im auszuschreibenden Wettbewerb diesbezüglich noch ist.
Zum Vorgehen in Bezug auf den Gestaltungsplan und die zuvor abgehaltenen Mitwirkungsveranstaltungen mache ich persönlich nachträglich auch das eine oder andere Fragezeichen. Wir wissen ja, dass man nachträglich immer klüger ist: Haben wir den Handlungsspielraum der Veranstaltungen im Vorfeld zu stark eingeschränkt, weil viele Parameter bereits vorher klar waren? Sind wir auf alle Fragen und Einwendungen genügend eingegangen? Einige Gegner stellten die Hypothese auf, der Gestaltungsplan schränke die Architekten schon viel zu stark ein, und die Sache sei deshalb eigentlich jetzt schon "gelaufen". Stimmt das etwa tatsächlich? Ich gebe zu, dass ich bei diesen Fragen eine etwas ambivalente Haltung habe, und auch bei den entsprechenden Diskussionen im Gemeinderat ein paar kritische Fragen diesbezüglich stellte. Es wird sich zeigen, wie mit diesen Punkten in den nun folgenden Schritten umgegangen wird. Auch die Wahl des Bauträgers wird im Zusammenhang mit den vor mir geforderten erschwinglichen Mietpreisen massgeblich sein: Gelingt es uns, einen Bauträger zu finden, der diese Ziele unterstützt, und die diesbezüglichen Vorgaben bezüglich Maximalrenditen etc. akzeptiert? In welcher Form können wir diese überhaupt festlegen, ohne die marktwirtschaftlichen Überlegungen der Bewerber allzu stark einzugrenzen, und sie so möglicherweise zu vergraulen? Ich freue mich auf diese Diskussionen im Gemeinderat und mit der Bevölkerung, habe aber auch grossen Respekt davor: eine wichtige Aufgabe der Projektverantwortlichen ist es jetzt zu versuchen, Befürworter sowie Gegner hinter sich zu scharen und beiden Seiten aufzuzeigen, dass wir willig sind, alle Argumente gleichermassen aufzunehmen und tatsächlich zu versuchen, unabhängig von allfälligen parteipolitischen oder partikulären Interessen eine wirklich tragfähige Lösung für das Rüschliker Dorfzentrum zu verwirklichen, die, wenn auch nicht überall eitel Freude, so wenigstens nicht nur durchwegs negative Gefühle bei den einstigen Gegnern verursacht.
Alle drei Projekte belegen also, dass der Ruf nach bezahlbarem Wohnraum auf Rüschliker Boden bis zu einem gewissen Grad wohl immer ein Kompromiss bleiben wird: Sind wir bereit, diesen Wohnraum mit öffentlichen Geldern zu subventionieren und dafür allfällige Steuererhöhungen in Kauf zu nehmen? Oder bleiben wir als liberal dominierte, wirtschaftsfreundliche Gemeinde bei der Maxime, dass es nicht öffentliche Aufgabe ist, objektfinanzierte Unterstützungsleistungen zu gewähren, die dann global im Sinne eines "Giesskannenprinzips" die entsprechenden Mieten vergünstigen? Oder gibt es vielleicht sogar einen Mittelweg, in welchem wir mit einer gutschweizerischen Kompromisslösung versuchen, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen? Diese Diskussionen werden uns mit Sicherheit noch viele Jahre beschäftigen - mit billigen Schlagwörtern und plakativen Kampagnen kann man sie aber auf keinen Fall beantworten. Sie fordern eine intensive Auseinandersetzung mit den entsprechenden Problemstellungen, die Fähigkeit, anderen zuzuhören, Anliegen aufzunehmen, auch andere Standpunkte zuzulassen, immer wieder den Dialog mit den betroffenen Bevölkerungsschichten zu suchen und offen und klar zu kommunizieren. Vermutlich können wir uns als politische Verantwortliche in diesem Punkt noch verbessern.
Kommentar schreiben