"Möchtest du nicht für ein Behördenamt kandidieren?" Diese Frage stellte ich in den letzten zehn Jahren verschiedenen Rüschlikerinnen und Rüschlikern, bei denen ich ein Interesse für das Gemeinwohl vermutete. In Art. 6 der Bundesverfassung sowie in Art. 5 der Kantonsverfassung steht: "Jede Person nimmt Verantwortung für sich selber wahr und trägt nach Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft bei." In der eben erschienenen Schrift "Kompetent in Behörde und Verwaltung" schreibt Heinz Kundert, Stadtschreiber von Wädenswil, folgendes: "Wenn dieser Bestimmung nachgelebt würde, bräuchte man sich um den Politnachwuchs und um die Besetzung aller Ämter und Funktionen unseres Staatswesens keine Sorgen zu machen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Verfassungsbestimmungen sind vielmehr als Aufruf, als moralische Verpflichtung zu verstehen, unserem Land zu dienen. Zwar kennen Kantone den Amtszwang, was jedoch wie jeder Zwang eine schlechte Voraussetzung ist für die Ausübung einer Tätigkeit."
Rüschlikon hatte bis anhin das Glück, immer genügend Bewerber für die Besetzung aller Ämter zu finden. Ich gehe davon aus, dass das auch in der nun zur Wahl stehenden Legislatur der Fall sein wird. Trotzdem stellt sich auch bei uns die Frage, ob alle Bewerber immer über die richtige Motivation und Voraussetzung verfügen, um die herausfordernden Aufgaben gut zu bewältigen, und wie sie darin optimal unterstützt werden können.
Heinz Kundert nennt in seinem Artikel verschiedene Aspekte, damit geeignete Persönlichkeiten für die Milizfunktionen in den Gemeinden gefunden werden können. Dies sind unter anderem:
- möglichst konsequente Trennung von strategisch und operativ
- Professionalisierung der Verwaltung mit Kompetenz zur operativen Ausführung
- möglichst einfache Gemeindeorganisationsstrukturen
- Sitzungstermine minimieren, Sitzungsrhythmen straffen
- Bekanntmachung der Tätigkeiten und periodische Berichterstattung
- Weiterbildungsmöglichkeiten
Wo steht Rüschlikon bei diesen Ansätzen? Machen wir gleich den kritischen Reality Check
Die Trennung von strategischen und operativen Fragen klappt bei uns recht gut: Der Gemeinderat gibt, zusammen mit den Kommissionen und Behörden, die Richtung vor, und die Verwaltung setzt die Beschlüsse operativ um. In meinem eigenen Ressort diskutieren wir in einer wöchentlichen Bürositzung mit der Verwaltung immer auch Gemeinderatsbeschlüsse, Abstimmungen, neue Gesetze oder sonstige Richtungsänderungen oder politische Strategien, die uns betreffen könnten. Die Umsetzung der Beschlüsse überlasse ich dann der Verwaltung, die dies äusserst kompetent übernimmt. Leider sehe ich - ausser an den 14-täglichen Gemeinderatssitzungen - kaum, was in den anderen Ressorts läuft. Hier können wir mit Sicherheit noch etwas zulegen - etwa in der Erarbeitung gemeinsamer Standards zur Führung der Ressorts.
Auch die Professionalisierung der Verwaltung befindet sich bei uns auf einem guten Stand: Führungsinstrumente werden angewendet, unsere Mitarbeitenden verstehen ihr Métier, sind kompetent und dienstleistungsorientiert. Sicherlich kann aber zum Beispiel das Führen nach genau definierten, vom Gemeinderat erarbeiteten und dann auf die operative Ebene heruntergebrochenen Zielen noch optimiert werden, zum Beispiel auch mittels der Einführung von Balanced Score Cards, wie sie in einigen Gemeinde existieren. Auch ein strategisch durchdachtes Weiterbildungskonzept sollte meiner Meinung nach in den nächsten Jahren erarbeitet werden, und die regelmässige Neubeurteilung der Strukturen und zugeteilten personellen und finanziellen Ressourcen ist essenziell - der Gemeindeschreiber in seiner Funktion als "CEO" der Verwaltung muss hierbei noch stärker unterstützt werden. Dabei benötigt er einen fachlich und strategisch versierten, führungserfahrenen Sparring Partner in der Person des Gemeindepräsidenten, sonst ist er auf verlorenem Posten. Bei meiner Wahl als Gemeindepräsidentin wäre das eine der ersten Massnahmen, die ich treffen würde.
Neue Geschäftsführungsmodelle: Auch der Gemeindeschreiber als „CEO“, als Geschäftsführer der Gemeindeverwaltung, braucht aber eine klare Führung und genaue, messbare Zielvorgaben. Diese fehlen heute bei uns noch weitgehend. Solche Zielsetzungsprozesse auf strategischer Ebene erfordern Zeit und strategisches Know-how. Bei uns kommen sie meist zu kurz: Die Sitzungen des Gemeinderates werden weitgehend den Tagesgeschäften und laufenden Projekten gewidmet. Hier wünschte ich mir einen klaren Zielsetzungsprozess, der dann von der strategischen Eben, also dem Gemeinderat, in die strategischen und operativen Ziele des Gemeindeschreibers und seiner Kadermitarbeitenden einfliesst.
Sitzungsrhythmen straffen: Zum Glück arbeite ich an den meisten Tagen der Woche in Rüschlikon und kann mir meine Zeit flexibel einteilen, um bis zu 13 Sitzungstermine pro Woche in der Agenda unterzubringen. Wenn man aber einen 100%-Job in der Privatwirtschaft hat, kann es tatsächlich sehr schwierig sein, die Erfordernisse des Amtes damit in Einklang zu bringen. Meine Erfahrungen aus der Wirtschaft zahlen sich auch in diesem Bereich aus: Ich bin es gewohnt, auch schwierige und diskussionsintensive Sitzungen effizient zu leiten und am Ende einen Output zu erhalten, der zielführend und sachdienlich ist. Hier sehe ich in der Gemeinde Rüschlikon viel Verbesserungspotenzial, denn als „gewöhnliches“ Gemeinderatsmitglied ist es mir bis anhin nicht gelungen, den Einsatz eines effizienten, professionellen und verbindlichen Geschäftskontroll- und Pendenzensystems durchzusetzen. So geht meiner Meinung nach immer noch viel Zeit verloren mit Redundanzen, Doppelspurigkeiten und der Diskussion von Schnittstellen und Verantwortlichkeiten, die eigentlich klar sein müssten.
Auch bei der Kommunikation der Gemeindetätigkeiten sehe ich noch Verbesserungspotenzial: Während der letzten Jahre habe ich mich im Gemeinderat immer wieder stark gemacht für eine transparente Informationspolitik. Das Resultat ist, dass die Gemeinde heute über einen Kommunikationsausschuss sowie eine 60%-Stelle für diesen Bereich und einen Mandatsvertrag mit einer PR-Agentur verfügt. Das Tagesgeschäft, der zweimal jährlich erscheinende Rüschliker Newsletter und die Unterstützung der Abteilungen in kommunikationstechnischen Angelegenheiten fressen jedoch bereits einen guten Teil dieser Ressourcen. So fällt denn die periodische Berichterstattung aus den Ressorts oft ebenso zwischen Stuhl und Bank wie die Bekanntmachung der Tätigkeiten, gerade auch im Hinblick auf die Rekrutierung neuer Behördenmitglieder. Wir sind aber hier auf gutem Weg, und bereits die Ankündigung meiner Kandidatur als Gemeindepräsidentin hat zum Beispiel die Bereitschaft verbessert, die Gemeinderatsbeschlüsse öffentlich aufzulegen. Dies werte ich als persönlichen Erfolg.
Mein Reality Check ergibt also ein gemischtes Ergebnis: Wir sind zwar auf gutem Weg, müssen aber noch viele wichtige Themen anpacken, um an vorderster Front die Anforderungen an ein modernes Gemeindemanagement erfüllen zu können. Die ausgezeichnete Finanzlage der Gemeinde ist nicht nur ein Privileg, sie fordert uns auch strategisch. Unsere Verwaltungsangestellten sind motiviert, diese Projekte anzupacken, und für mich gilt dasselbe.
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